Kolumne: Über die Einsamkeit als Mutter

Kolumne: Über die Einsamkeit als Mutter

Mein ganzes Leben bin ich umgeben von vielen Menschen und fühle mich doch oft einsam. Seitdem ich Mutter bin ist dieses Gefühl noch stärker geworden.

Tatsächlich verbringe ich viele Tage alleine. Früher hockte ich in meinem Home Office und habe Texte getippt oder Armbänder gefädelt. Heute bin ich in Begleitung eines fast 14 Monate alten Babys, während ich alleine esse, saubermache, einkaufen gehe, aufräume.

Meine zwischenmenschlichen Kontakte beschränken sich zur Zeit auf Floris Oma, die Postbotin und mein Kind. Ich bin jemand, der Einsamkeit gut aushält, was mir aber fehlt sind Gespräche, was absurd ist, denn tagsüber habe ich keine Zeit zum Telefonieren und abends bin ich platt.

Kaum treffe ich auf andere Menschen fange ich an zu quasseln. Besonders der Austausch mit anderen Müttern ist mir wichtig, obwohl mich der „Mutti-Talk“ früher als Zuhörerin selbst genervt hat.

Jetzt habe ich einen anderen Blickwinkel und fühle mich oft in meinem Alltag und in meinen Erziehungsmethoden einsam. Nur bei anderen Müttern treffe ich auf ein offenes Ohr und höre die gleichen Sorgen, Selbstvorwürfe und Unsicherheiten. Ich gehe offen mit meinen Erfahrungen rund um Schwangerschaft und Baby um:

  • Nach einer Myom-OP und Kinderwunschbehandlung hatte einen geplanten Kaiserschnitt in SSW37
  • Ich war mit Zwillingen schwanger und hatte in SSW8 eine Fehlgeburt („Vanishing Twin Syndrome“)
  • Ich fand Stillen schrecklich und habe es nur 4 Monate durchgehalten
  • Ich habe von Anfang an Pre-Milch zugefüttert, obwohl mich einige Frauen behandelt haben, als würde ich meinem Kind Heroin spritzen
  • Mein Kind hat trotz aller Rituale (baden, vorlesen, singen) noch keine einzige Nacht durchgeschlafen
  • Statt Beikost jeden Tag selber zu kochen habe ich Gläschen, Quetschies und TK-Kost gegeben
  • Ich verwende nach wie vor eine Trage, damit mein Kind einschläft. Tragetücher konnte ich wegen Wassereinlagerungen in den Händen nicht binden
  • Ich habe mein Kind schon angeschrien, weil es mir an den Haaren reißt oder kneift, wenn es müde ist oder aus der Spülmaschine die scharfen Messer fischt, die Blumenerde zum 100. Mal im Wohnzimmer verteilt oder altes Bier trinkt

Ich mache nicht alles richtig, aber ich versuche meine Entscheidungen immer zum Wohle meines Kindes zu treffen. Meistens ist es ein Gefühl oder eine Erfahrung, die ich im letzten Jahr gemacht habe. Zum Beispiel trage ich wie erwähnt meine Tochter oft noch in der Trage, damit sie einschläft. Seitdem sie auf der Welt ist haben weder sie, noch ich eine Nacht durchgeschlafen. Baby Peng wacht alle zwei Stunden auf und während Flori sofort wieder einpennen kann, liege ich nachts wach, obwohl ich totmüde bin.

Dementsprechend hängen wir vormittags in den Seilen und damit wenigstens sie nochmal ein Nickerchen machen kann, packe ich Baby Peng in die Trage. Dazu gebe ich ihr eine volle, normal dosierte Milchflasche. Es dauert fünf bis zehn Minuten, dann poft sie eine Stunde, in der ich mich an den Computer hocke oder – wenn es geht – auch aufs Sofa oder Bett setzte und nochmal die Augen schließe.

Viele Menschen aus meinem Umfeld reagieren auf meine Methoden mit Unverständnis. Baby Peng solle alleine einschlafen können und die Milch brauche sie nicht mehr. Ich solle ihr stattdessen weißes Wasser, also eine dünne Milchplörre, geben. Sonst klappt das in der Kita mit dem Schlafen nicht und ich bin schuld daran, wenn sie später eine orale Sucht wie Rauchen oder Bulimie entwickelt.

In solchen Momenten der Belehrung von Menschen, die nicht 24/7 ein kleines Kind betreuen, fühle ich mich einsam. Keiner ist da, der zu mir hält. Im Gegenteil: Fängt einer an, kloppen alle drauf. Der Vorwurf: Ich verwöhne mein Kind. Mir fällt es oft schwer gegen die Kritik anzuhalten und ich bin verletzt, wenn andere Menschen vorschnelle Urteile über mich als Mutter („Glucke“, „Ah, du bist so ’ne Übermutti“) fällen.

Nachdem ich meine Trauer zu diesem Thema auf InstaStories gepostet hatte, wurde mein Postfach überflutet. So viele Mütter schrieben mir, dass sie es ähnlich machen und die Kinder sogar  bis sie drei Jahre alt waren auf dem Rücken trugen.

„Kinder suchen immer nur die Nähe, die sie brauchen“, fand ich einen schönen Satz oder „Zu viel Liebe kann man nicht schenken“. Nicht zu vergessen: „Wir Mütter wissen am besten, was unsere Kinder brauchen!“ oder „Wir wollten einfach mal unsere Ruhe. Und so hat’s zuverlässig geklappt.“ Ja, genau – warum soll ich damit aufhören, wenn es funktioniert?! Hachhachhach, bei so vielen schönen Mutmachern machen die sozialen Medien doch wirklich Sinn. Großes Dankeschön an dieser Stelle an alle, die mir geschrieben haben.

Fazit: Meiner Meinung nach kann man ein Baby nicht verwöhnen. Und selbst wenn ich meine Tochter verwöhnen würde: Na und?! Ich habe zwei Jahre für sie gekämpft, mich so auf sie gefreut und sie wird wahrscheinlich mein einziges Kind bleiben. Darf ich da als Mama nicht alles rausholen, was ich zu bieten habe und mein Muttersein in vollen Zügen genießen?

Also: Pfeift auf die Kommentare und macht, was euch und eurem Kind gut tut. Nur das zählt. Wenn ich euch einsam fühlt, denkt an mich und die vielen anderen Mamis auf dieser Welt, die genau wissen, wie es euch geht und wie müde ihr seid.

PS: Ich versuche noch allen zu antworten, aber ich schaffe es nicht so schnell. <3

PPS: Dieser Text ist ebenfalls auf Nido erschienen.

(Foto: Sandra Semburg)

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