Kolumne | Die Wahrheit ist: Manchmal passiert wochenlang nichts

Kolumne | Die Wahrheit ist: Manchmal passiert wochenlang nichts

„Das Internet erwartet immer tolle Geschichten. Oder traurige. Oder anstrengende. Dabei ist man mit dem ’normalen‘ Leben schon des Öfteren überfordert und hat eigentlich reichlich zu erledigen oder den Kopf voll.“ Dieser Post von Mummy Mag ließ mich diese Woche nachdenken – und schenkte mir den Mut, eine neue Kolumne zu schreiben.

Eine Freundin erzählte mir neulich, dass es bei ihr im Moment nicht besonders gut läuft. Weder beruflich, noch privat. Sie bekommt weniger Jobs als früher, findet keinen Mann und wünscht sich vielleicht doch mal ein Kind. Gerade weiß sie nicht weiter. Ich war total baff, denn ich nahm an, dass bei ihr alles wie am Schnürchen läuft. Zumindest auf der beruflichen Ebene. Auf Instagram wirkt es so.

Umso mehr fühlte mit ihr, als sie mir die Wahrheit erzählte. Auch wenn mein Leben ganz anders ist, konnte ich ihren Frust über die Starre in ihrem Leben nachvollziehen. Denn die Wahrheit ist: Auch bei mir passiert manchmal wochenlang nichts. Auch ich denke immer wieder darüber nach, was ich verändern muss, damit ich wieder mehr Erfüllung und Zufriedenheit empfinde.

Glamourös ist das Leben in Wusterwitz wahrlich nicht: Wir fahren jeden Samstag zum gleichen Supermarkt, kaufen den gleichen Quark, das gleiche Wasser und den gleichen fettreduzierten Frischkäse. Unter der Woche schlafe ich bis 6 Uhr, füttere und ziehe mein Kind an, arbeite dann bis 15 Uhr, kümmere mich dann wieder um mein Kind und gehe gegen 22 Uhr ins Bett, nachdem ich im Garten Unkraut gezupft und eine von Maden befallene Mülltonne mit dem Gartenschlauch ausgespült habe. Die Muse, einen Beitrag für meinen Blog zu schreiben, finde ich nach so einem Tag nicht mehr.

So gibt es in diesem Jahr auch viel weniger Kooperationen, wenig Reisen und kaum noch Event-Einladungen. Ich habe oftmals keine Zeit meine Freunde in Berlin zu treffen, Sport zu machen, mir die Achseln zu rasieren oder eine Haarmaske zu machen und dabei nebenbei die Beauty-Neuheiten in meinem Kulturbeutel zu fotografieren oder endlich die Gallery Wall in unserem Wohnzimmer zu vervollständigen. Ich schaffe es einfach nicht.

Schlimm? Nö. Ich würde sagen: Normal. Das Internet suggeriert, dass wir jeden Tag mindestens vor der gleichen Felsen-Kulisse wie Heidi Klum in Capri stehen müssen, so exakt (und spießig!!!) wie Marie Kondo unsere Schränke aufzuräumen haben oder hoffen von Dior eine 30 Montaigne Tasche geschenkt zu bekommen, damit wir das Gefühl haben, produktiv zu sein oder etwas Tolles erlebt zu haben. Ich sitze dann auf meinem mit Fettflecken übersäten Sofa und denke: „Na toll! Und was mache ich? Rupfe Unkraut, wasche stinkende Mülltonnen und singe zum 127. Mal die Vogelhochzeit vor.“ Aber auch das ist eine Leistung.

So stellte ich im Urlaub voller Zufriedenheit fest, dass sowohl mein Mann als auch die Schwiegereltern nach ein paar Stunden Kinderbetreuung zugaben, dass es verdammt anstrengend ist, sich nonstop um eine Zweijährige zu kümmern. Ha!

Es geht darum anzunehmen, dass ich mich in dieser Lebenssituation befinde, weil ich es mir so ausgesucht habe. Ich bin dankbar für mein gesundes Kind, für meine Ehe und das Haus, in dem ich leben darf. Dieses Glück ist nicht selbstverständlich. Vor allem darf ich es mir nicht dauernd selbst schlecht reden, denn es ist nicht schlecht.

Ich lese zurzeit das Buch „Komm, ich erzähl dir eine Geschichte“ von Jorge Bucay. Darin geht ein junger Mann namens Demian zu einem Psychoanalytiker, der ihm in jeder Sitzung eine Geschichte erzählt. Es sind Sagen aus der Antike, Märchen aus aller Welt, sephardische Legenden, Sufi-Gleichnisse oder Zen-Weisheiten aus Japan und China.

Eine Geschichte hat mich besonders berührt, sie steht gleich am Anfang. Demian kommt zum ersten Mal in die Praxis, traut sich aber nicht an der Tür zu klopfen, weil er fürchtet, den Patienten vor ihm stören zu können. Dabei hat er einen Termin und ist auf die Minute pünktlich. Sein Therapeut Jorge schüttelt nur den Kopf und stellt dann fest: „Also müssen die Dinge zu dir kommen.“

Genau so bin ich. Ich erwarte, dass die guten Dinge zu mir kommen. Und zwar einfach so, ohne große Anstrengung. Dabei könnte ich auch dafür sorgen, dass die guten Dinge zu mir kommen. Es ist ein bisschen so wie dieses Sprichwort: Wer nicht fragt, wird nicht enttäuscht. Aber auch nicht überrascht. Das gilt für so viele Dinge in unserem Leben. Erst wenn wir uns verändern, verändert sich auch der Rest.

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