Als ich vor gut einem Jahr hochschwanger war hatte ich viel Literatur zu Hand, aber war nicht richtig zufrieden. Es gibt ein paar meiner Meinung nach leicht öko angehauchte Standardwerke, in denen man hier und da etwas Lesenswertes erfährt und natürlich kann man immer die Hebamme (meine ist sowieso die Beste!) fragen, aber so richtig was zum Schmökern für die schlaflosen Nächte mit Stillkissen zwischen den Beinen habe ich nicht gefunden.
Dabei hatte ich so viele Fragen. Und Sorgen, denn ich hatte eine Kinderwunschbehandlung und eine Fehlgeburt hinter mir. Außerdem kam ein geplanter Kaiserschnitt kam auf mich zu, ich wog fast 100 Kilo und konnte wegen Wassereinlagerungen in den Gelenken meine Hände kaum mehr bewegen. Ich wollte alles richtig machen und war durch die vielen Meinungen im Internet stark beeinflussbar. Das ich so etwas wie einen mütterlichen Instinkt habe, auf den ich mich später mit Baby immer verlassen kann, war für mich damals noch nicht greifbar.
Inzwischen gibt es einen neuen Ratgeber auf dem Markt und den hat zufällig eine Frau geschrieben, von der ich eine hohe Meinung habe.
Es heißt Mein persönlicher Mutterpass und stammt von Malin Elmlid. Das Buch ist ein Plädoyer für starke Mütter und handelt von Schwangerschaft und Elternwerden in Deutschland mit allen Sorgen, Ängsten und Erwartungen die damit verbunden sind. Danke für diesen Volltreffer, Malin!
Das erste Mal von ihr gehört habe ich, als Freunde von Freunde ihre Berliner Wohnung vorstellen (hier). Diese Frau, das Interieur, sie selbst und das Essen, das sie ihren Gästen servierte – all das war so individuell und besonders, dass ich an meinem Computer-Bildschirm klebte. Für mich war sie der erste Mensch, der Wasser in einer Karaffe mit Erdbeeren und Minze auf den Tisch stellte! Und dann kommt in dem dazugehörigen Interview auch noch zur Sprache, dass diese Frau, eine gebürtige Schwedin, selber Sauerteigbrote backt und sie gegen etwas tauscht, das für sie den gleichen Wert hat. Zum Beispiel ein Laib gegen ein Glas selbst gemachte Marmelade oder eine Gitarrenstunde. Ich war vollkommen platt, denn von so etwas wie The Bread Exchange hatte ich noch nie gehört, geschweige denn in meiner egoistischen Denkweise, in der es immer nur um meine persönlichen Vorteile geht, nicht auf dem Schirm.
Malin Homestory war lebensverändert für mich, denn sie definierte neu, was ich cool fand. Knapp acht Jahre später bringt dieselbe Frau also ein Buch auf den Markt das ich gerne lese, obwohl ich aktuell nicht schwanger bin. Warum? Weil die 38-jährige Malin eine wichtige Message hat – und zwar an alle, egal ob schwanger oder nicht schwanger, ob Mann oder Frau.
Mehr dazu in meinem Interview mit ihr!
In deinem ersten Buch „The Bread Exchange“ ging es um Brot. Wieso wolltest du unbedingt „Mein persönlicher Mutterpass“ machen?
Mein erstes Buch ging zwar ums Brot, aber eigentlich ging „The Bread Exchange“ um viel mehr. Das Brot war eher eine Art Türöffner, der überall funktioniert. Es ging um Brücken zu bauen und um Offenheit. Es ging darum, sich außerhalb der Komfortzone zu bewegen. Und das tut auch „Mein Persönlicher Mutterpass“. Dieses Buch strebt ebenfalls nach mehr Vielfalt und Verständnis. Und das, glaube ich, wünschen sich tatsächlich viele von uns.
Das Leben ändert sich ja ständig und neue Themen, die uns beschäftigen kommen dazu. Das gesagt, muss ich aber hinzufügen, dass der Wunsch für gleiche Rechte von Männern und Frauen und dass wir verständnisvoll mit unseren Mitmenschen leben sollen, Werte sind, die mir schon von zu Hause aus mitgegeben wurden. Es ist also nichts, was erst mit dem Elternwerden wichtig wurde. Aber es hat mich sehr beschäftigt, als Freunde um mich herum anfingen Kinder zu bekommen und vor neue Herausforderungen gestellt wurden. Und genau so ging es meinem Mann und mir, als ich schwanger wurde.
Brot und die Mutterrolle haben aber viele Gemeinsamkeiten und beide sind zwei große deutsche Themen. Durch beide Themen habe ich viel über mich selbst und Deutschland gelernt. Und ich fühle mich einfach angezogen von Themen, die etwas bewegen, oder wo es Raum gibt, etwas zu bewegen.
Was war für dich während der Schwangerschaft mit deinem Sohn der schönste Moment?
Am schönsten war die Verbundenheit mit meinem Freund. Dieses Gefühl, etwas gemeinsam aufzubauen.
Und welcher hat dir Angst gemacht?
Die wiederkehrende Frage, ob wir wirklich etwas Gemeinsames aufbauen. (lacht) Ich hatte schon Angst, dass mein Freund doch nicht das gleiche Engagement und die Verantwortung für Familie und Organisation nehmen würde, sobald das Kind dann da ist. Also haben wir sehr viel in der Schwangerschaft darüber gesprochen. Ich fand es nicht unbedingt einfach über Themen wie Geld, Erwartungen an die Rollen und Teilnahme des Anderen zu reden. Aber es war wirklich gut. Und bis jetzt habe ich das Gefühl, dass wir beide schauen, dass es – nach unsere Vorstellungen – fair abläuft.
Wie hast du gelernt eine Mutter für deinen Sohn zu sein? Wer oder was hat dir dabei am meisten geholfen?
Oh, das sind so viele Menschen – ich nehme wirklich ein ganzes Dorf in Anspruch. (Anmerk. der Red. Ein afrikanisches Sprichwort besagt: „Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind großzuziehen.“) Aber am allermeisten ist meine eigene Mutter mein Vorbild. Weil sie es geschafft hat, ihre Karriere zu machen, und parallel zwei Kinder großzuziehen, die heute beide ein gutes Verhältnis zu ihr haben. Ich kann mich heute sehr gut mit ihr identifizieren. Und ich habe viel Respekt davor. Rückblickend hat sie alles gemeistert – außer die Aufgabe abzugeben die Projektleiterin der Familie zu sein. Das ist sie schon immer noch. Da hat sich aber in den letzten 35 Jahren viel getan und unter meinen schwedische Freundinnen ist kaum jemand alleine mit dem Emotional Labour.
Meine Mama hat immer viele tolle Tipps für mich. Sie nimmt mir immer wieder den Druck ab und erinnert mich, dass ich nicht so hart sein darf. Aber wahrscheinlich sind ihre Tipps so toll, weil sie mich einfach sehr gut kennt und weiß, was Sinn macht für mich. Darum geht es, finde ich. Ich habe früh in der Schwangerschaft den Tipp bekommen, mir drei Freundinnen auszusuchen, die mich gut kennen – und deren Art als Mutter mir gut gefällt – und vor allem diese Frauen um Rat fragen. Das war wirklich eine super Idee. Von diesen Freundinnen habe ich kaum unnötige oder unpassende Ratschläge bekommen. Genau wie von meiner Mama.
Meine Mama hat mir auch für dieses Buchprojekt so viel Mut gegeben. Manchmal habe ich mich gefragt, ob ich mich auf dünnem Eis bewege, wenn ich mich in Deutschland zum Thema Muttersein äußere. Aber es ist mittlerweile auch mein Land. Und auch das Land von meinem Sohn, also war es mir wichtig, dieses Buch zu schreiben.
Jetzt rede ich viel von meiner Mama. Aber mein eigenes Bauchgefühl war auch eine gute Hilfe auf dem Weg. Ich habe ihm schon sehr vertraut. Und wenn ich ihm folge, bin ich meistens für meinen Sohn die beste Mutter, die ich sein kann.
Wieso war es dir wichtig, dass in deinem Buch auch die Väter zu Wort kommen?
Weil mir das Vater-Thema in vielen Schwangerschaftsbücher fehlt. Und ich finde das ungerecht. Mein Mann spielt genauso eine große Rolle in dem Leben meines Sohnes wie ich selbst. Und die Themen, mit denen ich mich in me inem Buch befasst habe, haben genauso viel mit Vaterwerden zu tun, wie mit dem Mutterwerden. Und das mag ich. Meine Mutter wäre bestimmt nicht so eine gute Mutter ohne meinen Vater. Der hat schon 1980 Elternzeit genommen. Als Ingenieur im Bergbau war es damals alles andere als cool, Elternzeit zu nehmen. Aber er hat es gemacht.
Was denkst du über Hashtags wie #regrettingmotherhood?
Ich muss zugeben, dass mich diese sehr berührt haben in der Schwangerschaft. Und ich muss auch zugeben, dass ich die Aufregung zu diesem Thema nicht verstehe. In schwedische Medien gab es 2015 einen Artikel zum Thema, warum es genau in Deutschland so große Reaktionen zu #regrettingmotherhood gab, in Vergleich mit zum Beispiel mit Schweden.
Ich glaube, wir brauchen mehr Ehrlichkeit in Bezug auf das Thema Muttersein. Ich glaube, dass es eher selten ist, dass man als Mutter absolut alles und jeden Moment toll findet. Dazu bedeutet auch noch das Elternwerden für viele eine Umstellung. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass man sich immer entschuldigen muss, wenn man nicht alles super findet. Irgendwie absurd. Mir fehlt doch auch manchmal Momente aus meinem Leben ohne Kind. Und das ist vollkommen ok!
Ich glaube, dass es wahnsinnig wichtig ist, dass es ok ist, nicht alles zu mögen. Das ist doch genau so, wie in allen anderen Beziehungen im Leben, oder? Es gefällt einem praktisch nie alles. Ich liebe meinen Mann – aber manchmal mag ich etwas halt nicht. Genauso wie meinen Job. Der ist super – aber ich mag einfach nicht alles.
Und ich glaube, dass es wichtig ist, dass man noch sich selbst und seine eigenen Bedürfnisse respektiert – und respektiert bekommt! Ich bin mir sicher, würde ich das nicht machen, dann wäre ich auch nicht glücklich mit meinem Leben. Mir persönlich würde es nicht gut tun, wenn ich nicht ehrlich sein dürfte. Dann wächst das Thema leicht zu etwas Größerem, als es eigentlich sein müsste.
Ich wünsche mir mehr Verständnis und Offenheit unter uns allen in der Gesellschaft. Das wir die Mütter sein können, die wir sind – was auch immer das heißt. Dann glaube ich auch, dass es weniger „Regretting Motherhood“ geben würde.
Danke für das Interview, liebe Malin!
„Mein persönlicher Mutterpass“ ist im Mosaik Verlag erschienen. Am 7. Mai 2018 findet in Hamburg ein Buch-Event mit Malin statt. Mehr dazu hier!
(Headerfoto: Katja Lösönen, Ailine Liefeld)