„Ich möchte Menschen mit Behinderungen sichtbarer machen“– Interview mit Greta Scheichenost über ihr Instagram-Projekt #undduso

„Ich möchte Menschen mit Behinderungen sichtbarer machen“– Interview mit Greta Scheichenost über ihr Instagram-Projekt #undduso

Reisen, die wir uns nicht leisten können. Taschen, die so viel kosten, wie wir in einem ganzen Monat verdienen. Wenn überhaupt. Events, bei denen wir nicht eingeladen sind. Wer oder was beeinflusst uns wirklich auf Instagram? In den Stories wechseln sich Pseudo-Deepness und Rabattcodes ab. Mehr und mehr höre ich, dass die Leute dieser der Scheinwelt überdrüssig werden.

Was mich zuletzt berührt hat, war der Hashtag #undduso. Dahinter steht die 29-jährige Greta Scheichenost aus Wien. Sie ist Sonderpädagogin. „Aus Leidenschaft“, wie sie mir erklärt. Neben ihrer Arbeit als Lehrerin pflegt sie ihren Instagram-Account „Gretaspatz“, auf dem ich etwas gelernt habe. Denn Kontakt mit behinderten Menschen habe ich in meinem Alltag fast nie. Ich bin unsicher, wie man auf solche Menschen zugehen soll. Gretas Antwort: „Ganz normal!“

Sie ist davon überzeugt, dass Unsicherheiten nur durch Begegnungspunkte abgebaut werden können. Im realen Leben – und im Netz. Deshalb portraitiert sie Menschen mit Behinderungen. Die Fotos und herzerwärmende Auszüge aus den Gesprächen veröffentlicht sie auf ihrer Instagram-Seite. Mehr verrät sie im Interview mit Alexa Peng!

Wie kamst du auf die Idee Menschen mit Behinderungen auf Instagram vorzustellen?

Instagram habe ich als Plattform immer schon gerne privat genutzt. Es war mir jedoch zu wenig divers. Wie auch im realen Leben habe ich mir gewünscht, dass es auch online inklusiver zugeht und deswegen selbst angefangen, nicht mehr über mich selbst zu posten, sondern andere spannende Menschen ihre Geschichte erzählen zu lassen.

Welche Botschaft steckt hinter dem Hashtag #undduso?

Immer wieder fällt mir auf, dass es teilweise große Unsicherheiten im Umgang mit Menschen mit Behinderungen gibt. Diese gibt es meiner Meinung nach nur deswegen, weil es zu wenige Begegnungspunkte von Menschen mit und ohne Behinderungen im gesellschaftlichen Leben gibt. Nur, wenn wir diese schaffen, können Barrieren in den Köpfen der Leute verschwinden.

Ich möchte mit dem Projekt und Hashtag #undduso aufzeigen, dass es nicht die Behinderung ist, welche die undduso-TeilnehmerInnen definiert, sondern sehr viel mehr. Die Behinderung ist nur eines von vielen Merkmalen, die den Menschen ausmachen.

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Wo triffst du deine Protagonisten?

Die TeilnehmerInnen treffe ich an den verschiedensten Plätzen. Manche sind Schülerinnen und Schüler von mir. Andere sind TänzerInnen einer inklusiven Tanzgruppe. Auch eine Künstlerin war einmal dabei. Manchmal spreche ich Leute auf der Straße an. Andere melden sich bei mir weil sie gerne mitmachen wollen. Es ergibt sich meist ganz natürlich. Ich selbst habe ja auch nie den Druck „abliefern“ zu müssen, den hauptberufliche BloggerInnen sicher häufig haben. Es ist mein Herzensprojekt und ich freue mich über jedes spannende Treffen und neue Menschen für das Projekt.

Wie reagieren sie auf deine Instagram-Seite? Fühlen die sich nicht verletzt, weil du sie zur Schau stellen willst?

Alle Leute, die ich portraitiert habe, waren dem Projekt sehr offen gegenüber. Die Gespräche bzw. Interviews waren alle angenehm und für mich persönlich unglaublich spannend. Was ich sagen kann ist, dass alle der #undduso-ProtagonistInnen sehr uneitel waren und mir in meiner Arbeit vertraut haben.

Was sagst du ihnen, um was es dir bei diesem Projekt geht?

Bei dem Projekt geht es mir darum, aufmerksam zu machen. Darauf, dass es normal ist verschieden zu sein und darauf, dass wir als Gesellschaft die Großartigkeit in dieser Diversität sehen und sie als Chance nutzen sollten.

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Wie fragst du sie, ob sie mitmachen möchten?

Ich bekomme immer wieder gute Rückmeldungen auf die tollen Aussagen, welche die TeilnehmerInnen tätigen. Das freut mich besonders. Das Feedback und die Rückmeldungen leite ich immer 1:1 an die jeweilige Person weiter bzw. erzähle den Kindern davon. Die Geschichten, die die Leute erzählen oder die Zitate, die ich online poste entstammen nicht mir, sondern von den Personen selbst. Sie sind es, die das Projekt ausmachen. Sie sind es, die so toll sind.

Auf welchen Beitrag hast du bislang das meiste Feedback bekommen?

Mich persönlich hat jeder Teilnehmer und jede Teilnehmerin für sich beeindruckt. Ich konnte von jedem Treffen etwas mitnehmen bzw. lernen. Immer wieder wird mir aufgezeigt, dass wir alle manchmal gewisse Vorurteile haben, die es sich lohnt abzubauen. Ich habe gelernt, dass man seine eigene Meinung, seine eigene Definition von „Was ist normal“ auch mal hinterfragen sollte, um den eigenen Horizont zu erweitern.

Was können wir von Gretaspatz und #undduso lernen?

Ich glaube wir alle können voneinander lernen. Und am besten gelingt das wohl, wenn wir einander wieder bewusster zuhören. Nur so können wir die Bedürfnisse unseres Gegenübers besser verstehen. Und das ist in der heutigen Zeit wohl sehr, sehr wichtig.

Warum denkst du, kommen deine Posts gut an?

Ich freue mich sehr darüber, wenn den Leuten, die mir folgen die Geschichten und die Portraits gefallen. Vielleicht auch deshalb, weil es ein wenig anders ist, als vieles auf Instagram. Ich persönlich freue mich, wenn die Posts viele Menschen erreichen. Ganz einfach, um vielen Leute das Thema „Inklusion“ näherzubringen und Menschen mit Behinderungen ein Stück weit sichtbarer zu machen.

Viele Leute haben Hemmungen auf behinderte Menschen zuzugehen. Was rätst du ihnen und magst du den Begriff „behindert“ überhaupt oder drückst du dich lieber anders aus?

Mein Wunsch ist es, dass es Menschen mit und ohne Behinderungen auf eine Art und Weise mit einander umgehen. Ganz normal. Ein Stück mehr Empathie, ein Stück weniger Vorurteil! Ich selbst spreche nicht vom „behinderten Menschen“, sondern von „Menschen mit Behinderungen“. Das sagt meiner Meinung nach besser aus, was es eigentlich ist: Ein Mensch, der von noch immer bestehenden Barrieren an einem vollkommenen Teilnehmen ein Stück weit behindert wird.

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Viele Likes sind erfreulich, aber wie kann deine Seite auch im wahren Leben einen Unterschied machen?

Ich hoffe natürlich, dass ich einen kleinen Teil zum Umdenken beitragen kann. Nicht nur online, sondern auch offline. Im realen Leben. Ich hoffe, dass ich meine kleine, aber feine Plattform so sinnvoll wie möglich nutzen kann. Ich kann die Welt wohl nicht zu einem besseren Ort machen, möchte aber versuchen, sie nicht zu einem Schlechteren zu machen.

Bitte unterstützt Greta und ihr tolles Projekt! Neben ihrer Arbeit als Lehrerin ist sie übrigens gerne in der Natur und den Kaffeehäusern in und um Wien unterwegs. Sie liebt Yoga genauso sehr wie Hunde und Spaziergänge im Wald.

(Fotos: Greta Scheichenost)

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