Kolumne: Unser Leben ist eine Baustelle – 1

Kolumne: Unser Leben ist eine Baustelle – 1

Ein handgeschriebener Zettel, der an einem Briefkasten flatterte, sollte im Januar 2017 unser Schicksal bestimmen. Zum Verkauf stand ein Haus von 1910, direkt an einem See, nicht weit von Berlin gelegen. Eine Perle, die 100 Jahre in Familienbesitz war und die man auf keinem Onlineportal findet, sondern nur, wenn man zur Dorfgemeinschaft gehört. Drei Mal mussten wir zur Besichtigung kommen, die eigentlich ein Casting war, dann gaben uns die Erben ihre Zusage. Wir schlachteten unsere Sparschweine, lösten Bausparverträge auf und pumpten für den Rest des Eigenkapitals die Eltern an.

Als die Zusage von der Bank kam, jubelte mein Mann, als hätte Deutschland bei der WM ein Tor geschossen. Wir unterschrieben den Kaufvertrag und bastelten auf Pinterest eifrig Moodboards für das Haus unserer Träume. Die Verkäufer gaben uns die Schlüssel, wir schlossen hinter uns die Tür und schlugen mit dem Vorschlaghammer die erste Wand ein. Wir glaubten, schon im Sommer hier ein Grillfest für Freunde und Familie schmeißen zu können.

Inzwischen reicht unsere To-do-Liste in Sachen Eigenleistung für die nächsten fünf Jahre, denn eine alte Dame wie die Villa Peng lässt sich nicht an einem Wochenende liften. Der Maurer, ein Virtuose in Sachen Putz, arbeitete sich mit dem Hammer durch alle Etagen, bis kein Stein mehr auf dem anderen lag. Wochenlang trugen wir Säcke voll mit staubigem Schutt, vergilbten Tapeten und ausgefransten Kabeln aus dem Haus. Der Einzug wurde auf Herbst verschoben.

Wir waren guter Dinge, bis jemand nebenbei fragte, wer eigentlich das Häufchen auf dem Badewannenrand hinterlasse habe. Fledermäuse, Marder, Ameisen: Der eilig bestellte Kammerjäger teilte uns mit, dass uns die Villa Peng nicht alleine gehört. Unser Glück war es, dass der Vorschlaghammer alle Untermieter vertrieben hatte, sonst wäre Baustopp gewesen. Inzwischen ist ein Jahr vorbei und ein Ende der Renovierung lange nicht in Sicht.

Während unsere Freunde pochierte Eier im Soho Haus frühstücken, fischen wir uns gegenseitig die Spinnweben aus den Haaren, wenn wir mal wieder an der Kasse im Baumarkt stehen. Wir waren noch nie so fertig, aber auch noch nie so glücklich. Deshalb freuen wir uns schon auf unsere nächste Herausforderung: Das Abschleifen der Dielen.

Dieser Text ist in der Zeitschrift „Wohnen“ erschienen. 

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