Kolumne: Unser Leben ist eine Baustelle – 4

Kolumne: Unser Leben ist eine Baustelle – 4

In der Villa Peng singen wir „Hosianna!“, denn zwei weitere Räume sind bezugsfertig. Bis hierhin war es ein staubiger Weg. Der Maurer meldete sich erst nachdem ich ihn telefonisch gestalkt hatte. Er lag vermutlich verkatert unter einer Bettdecke, als ich ihn endlich erreichte. Seine Stimme klang, als würde er statt Haferflocken einen Sack Mörtel frühstücken. Wiederwillig sagte er einen Termin zu und stand ein paar Tage zwecks Vorbesichtigung vor der Tür.

Ich rechnete mit einem gepiercten Schläger-Typen, aber tatsächlich war Herr L. ein liebenswürdiger, älterer Herr, mit dem ich sofort Freundschaft schloss und fortan jeden Morgen gemeinsam Kaffee trank. So fasst er schnell den Mut mir den anfangs eingereichten Kostenvoranschlag zwischen Milch und Zucker noch einmal „überarbeitet“ über den Tisch zu schieben. Der Kollege im Büro hätte sich bei der qm-Zahl der Wände verrechnet. Tatsächlich: Pro Raum wurde nur eine Wand berechnet. Aber ein Raum hat ja vier Wände, plus Decke. So fing der vierstellige Betrag plötzlich nicht mehr mit einer 3, sondern einer 8 an.

An diesem Morgen brauchte keinen Kaffee, sondern einen Schnaps. Und da wir per Du waren, sollte ich die Hälfte gleich anzahlen, denn die Materialkosten hatten ein Loch in die Handwerker-Kasse gefressen. Auch das konnte ich nachvollziehen: Ich dachte früher nur in Luxusboutiquen könne man innerhalb weniger Minuten mehrere tausend Euro ausgeben. Im Baumarkt geht es noch schneller. Vor allem in der „Bauchemie“-Abteilung wird’s teuer: Armierungsgewebe, Haftputz, Tiefengrund – da kommt schnell eine vierstellige Summe zusammen. Den Traum, dass ich mir selbst zum meinem 40. Geburtstag eine Chanel-Tasche schenke, habe ich angesichts der Baumarkt-Preise deshalb aufgegeben. Ich musste mich entscheiden: Handtasche oder Kinderzimmer.

Dieser Text ist in der Zeitschrift „Wohnen“ erschienen.

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