„Sie können auf natürliche Weise kein Kind bekommen.“ Der Satz traf mich wie ein Faustschlag ins Gesicht. Ich fing sofort an zu heulen. Zusammen mit meinem Freund saß ich in einem sterilen Arztzimmer, vor uns eine sehr sachliche Gynäkologin, die uns durch die Blume mitteilte, dass wir so lange wie wir wollen miteinander vögeln könnten, dabei aber niemals ein Baby herauskommen würde. Aber genau das wünschten wir uns: ein gemeinsames Kind. Ich war geschieden von meinem ersten Mann, Mitte 30 und hatte einen neuen Partner an meiner Seite, mit dem alles gut werden sollte.
In meinem hedonistischen Vorleben machte ich den Fehler zu glauben, dass ich noch Zeit hätte. Und da saß ich nun: geschieden, Mitte 30 und nicht in der Lage ein Kind zu bekommen. Wir entschieden uns für eine In-vitro-Fertilisation, sprich Kinderwunschbehandlung. Ich versank in einer Mischung aus Selbstmitleid, Hass auf alle anderen Frauen, die einfach so Kinder bekamen und versuchte mit selbstauferlegten Verboten die Herrin meines Hormonhaushaltes zu werden. Ich trank keine Milch, keinen Alkohol, ich aß kein Fleisch oder Sojaprodukte. Bei meinen Terminen in der Kinderwunschklinik versteckte ich mich hinter einer Zeitung, weil ich mich schämte. Bis ich irgendwann feststellte, dass das Wartezimmer jedes Mal so voll war wie das Familiengericht, wo ich ein Jahr zu vor geschieden wurde. Mir wurde klar, wie viele Paare von diesem Schicksal betroffen sind. 40% sind die Frauen die Ursache für die ungewollte Kinderlosigkeit, 40% die Männer. Die restlichen 20% sind unklar.
Die ersten drei Versuche gingen in die Hose: Mein Körper widersetzte sich der „Downphase“ in der der Eisprung unterdrückt wird, um die Eizellenproduktion zu maximieren. Manche Frauen kommen während einer KiWu-Behandlung auf 25 Eizellen. Ich auf zwei. Eine Punktion, also die Entnahme der Eizellen unter Vollnarkose, lohnte sich nicht. Beim vierten Versuch verkürzte die Ärztin die Stimulationsphase, was den Durchbruch brachte. Ich hatte acht Eizellen. Fünf davon ließen ich befruchten. Zwei entwickelten sich weiter, die mir ein paar Tage später eingesetzt wurden. Ich lag mit gespreizten Beinen auf einem Stuhl, in meinem Bauch und in den Beinen steckten Akupunkturnadeln, was mich entspannen sollte. Vor mir standen mein Freund, die Ärztin und ein Humanbiologe und wie immer hatte ich Angst, dass mir ein Furz rausrutscht.
Über einen großen Bildschirm konnte ich mitverfolgen, wie sie mir die Eizellen in einer Pipette in meine Gebärmutter schoben. Es war ein bisschen wie früher im Bio-Unterricht. Zwei Wochen später bekam ich die Nachricht, dass ich schwanger sei. Ich konnte es nicht glauben. Bei der ersten Ultraschalluntersuchung sah man, dass beide Eizellen sich eingenistet hatten. Es waren also Zwillinge. Wir flippten total aus und überlegten, wo wir die Kinderbettchen hinstellen. In der 8. Woche setzen nachts Blutungen ein. Ich hatte eine Fehlgeburt. Das Herz des einen Embryos hörte auf zu schlagen, was bei Zwillingen nicht selten vorkommt („Vanishing twin Syndrome“). Der andere Embryo entwickelte sich von Woche zu Woche weiter. Im Mai 2017 kam unser Wunschkind per Kaiserschnitt auf die Welt. Für uns Eltern war es ein unbeschreiblicher Glücksmoment und für mich das Ende von neun Monaten Angst. Ich kann nicht sagen, wie viele Leute mir in dieser Zeit auf und in die Muschi geschaut haben, aber ich weiß: Die Kinderwunschbehandlung war anstrengend und teuer. Aber wenn ich meine Tochter heute in unserem Garten spielen sehe, dann weiß ich, dass es sich mehr als gelohnt hat.
Nachklapper:
Dieser Artikel ist bereits auf Less a Fair erschienen. Eine künstliche Befruchtung und der unerfüllte Kinderwunsch dürfen keine Tabus sein. Passend zum Thema wurde gerade dieser Artikel „Ich bin eine von euch“ von Sarah Stein veröffentlicht. Dieses Podcast-Interview mit mir in der Reihe „Mission Mama“ ist auf Podimo erschienen. Darin spreche ich mit Daniela Wilmer sowohl über meine Kinderwunschbehandlung als auch meine Stillprobleme. Außerdem möchte ich euch dieses neue Buch ans Herz legen: „Schwanger werden Der ganzheitliche Weg zum Wunschkind. Mit neuen Erkenntnissen aus der Eizell-Forschung“ (*Affiliate Link) von der Hebamme Kareen Dannhauer.
Foto: Sandra Semburg