Kolumne: Unser Leben ist eine Baustelle – 15

Kolumne: Unser Leben ist eine Baustelle – 15

Wenn diese Kolumne erscheint, schaue ich mir immer noch verliebt mein Weihnachtsgeschenk an. Wir haben eine neue Haustür. Offen gesagt, handelt es sich dabei um mein Weihnachtsgeschenk für die nächsten fünf Jahre.

Die Pforte zu unserem Eigenheim wurde maßangefertigt und wer sich auskennt, weiß: Für den gleichen Preis kann man einen zehntägigen All-inclusive-Urlaub auf den Malediven verbringen. Aber die Energiekrise ließ uns vor kaum einer Sanierungsmaßnahme mehr zurückschrecken; auch nicht vor den Kosten einer neuen Haustür, denn sie würde dafür sorgen, dass wir es warm haben – und zwar länger als zehn Tage in den Tropen.

Als Vorlage diente uns eine Haustür, die wir in einem Frankreich-Urlaub entdeckt hatten. Aber würde der Stil an unserem Brandenburger Seeufer so prächtig wirken, wie in an der Atlantikküste? Ich gab dem Tischler unmissverständlich zu verstehen, dass ich die schönste Tür um ganzen Ort haben möchte. Wortlos überreichte er mir einen Fächer mit 420 RAL-Farben.

Eine dieser Nuancen sollte nun alle unsere Hoffnungen in dieses Haus symbolisieren, denn eine Haustür ist für mich viel mehr als nur ein Eingang. Der Stil sagt etwas über den Sinn der Eigentümer*innen für Ästhetik aus – oder die Abwesenheit dessen. Natürlich kann man nicht jeden Geschmack treffen, aber zwischen einer unverwüstlichen Standard-Kunststofftür und dem Nachbau einer historischen Holztür aus dem Jugendstil liegen Welten. Die Farbe ist das i-Tüpfelchen und darf deshalb mehr wagen, als die Fassade. Sind wir Achatgrau, Enzianblau, Perlrubinrot oder Blassgrün?

Ich bestellte Sprühdosen und testet die Farben an der alten Tür. Ein Paketauslieferer sprach mir sein Mitgefühl aus: Es sei eine Sauerei, dass es Graffiti jetzt auch bei uns Dorf gäbe. Sein Blick, als ich ihm sagte, aus welchem Grund ich selbst die Tür besprüht hatte? Fassungslos! Wer macht sich so viele Gedanken, um eine Tür? Ich! Also meditierte ich weiter vor den Testfarben und wartete auf ein Zeichen des Farbgotts.

Grau wirkte langweilig, Rot und Blau waren wir gar nicht. Blieb Blassgrün. Ich war unsicher. Funktioniert RAL 6021 wirklich als Trailer für die restliche Sanierung der Villa Peng? Wir wagten es. Als dann auch noch die Messing-Garnitur zu den Original-Beschlägen von 1910 passte, waren wir restlos begeistert. Alle, bis auf Oma. Bei ihrem ersten Besuch befand sie beiläufig: „Schön, eure neue Tür. Aber die Farbe? Wie eine traurige Erbsensuppe.“

Dieser Text ist in der Zeitschrift „Wohnen“ erschienen.

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