Ich träume neuerdings von Fassadenfarben. Häuslebauer und Farbexperten wissen: Ein Grau ist niemals einfach nur ein Grau.
Allein bei den RAL-Farben gibt es 37 Nuancen. Unsere Fassade hat derzeit fünf verschiedene Probeanstriche in Lichtgrau, Steingrau, Perlgrau, Staubgrau und Mausgrau. Mein Favorit war anfangs Lichtgrau, doch das sieht tagsüber wie schnödes Weiß aus und das ist, wie ich auf Instagram gelernt habe, die langweiligste aller Fassadenfarben ever. Staubgrau verwandelt sich dagegen abends in ein tristes Betongrau. Bei Sonnenschein sieht es wiederrum umwerfend skandinavisch aus. Mausgrau hat je nach Tageszeit einen Grünschimmer, so wie eine schimmelige Maus. Das kommt also nicht infrage.
Mit der finalen Auswahl wollen wir uns Zeit lassen. Der Maler ist sowieso noch zwei Wochen auf Mauritius. Die Hauptsache ist, uns passiert nicht das, was unseren Nachbarn ein paar Häuser weiter passiert ist. Die haben ein Grau einfach von der Farbkarte, ohne Probeanstrich bestellt, und hocken jetzt in einem lilafarbenen Haus. Richtig gelesen: L-i-l-a.
Damit wir unseren Fassadenfarbentest überhaupt machen konnten, musste mein Mann übrigens erst einmal die alte Treppe abreißen, die hinten von der Küche in den Garten führte. Wir hatten eine gute Zeit mit der Treppe, aber sie war leider einsturzgefährdet. Als der Termin für den Abriss näher rückte, bekamen die Augen meines Mannes so einen komischen Glanz. Für ihn war dieser Tag wie Weihnachten und Herrentag zusammen, denn endlich gab es einen Grund den König aller Baustellenwerkzeuge auszuleihen: den Presslufthammer.
Als er das Gerät das erste Mal anwarf, war die Wucht so groß, dass er sich den Meißel fast in den Fuß, statt wie geplant in die erste Treppenstufe, gerammt hätte. Der Glanz in seinen Augen wandelte sich kurz in Entsetzen und dann in einen ungeheuren Ehrgeiz um: Mein Mann rückte seine Ohrenschützer zurecht und hämmerte los. Unser Kind hielt sich aufgrund der Lautstärke demonstrativ die Ohren zu und bat um sofortige Evakuierung. Als wir abends vom Baden am See wiederkamen hatte mein Mann die alte Treppe in sechs Tonnen Schutt verwandelt.
So fertig habe ich meinen Mann im Laufe der Renovierung der Villa Peng wirklich noch nie gesehen. Er kauerte auf einem Brocken Granit, der Schweiß rannte in einem dünnen Rinnsal von seiner Stirn über die Nase und auf den Boden. Mit letzter Kraft hob er seinen Arm, um mir voller Stolz das Fundstück des Tages zu zeigen: Eine rostige Mark von 1921.
Dieser Text ist in der Zeitschrift „Wohnen“ erschienen.