Nach einer Woche Stillstand geht der Alltag an vielen Stellen weiter. An anderen nicht. Ich habe erlebt, welche Superpower wir als Familie zusammen aufbringen können. Das gibt mir Mut und Kraft für die Zukunft. Wir schaffen das, denn wir kennen solche Situationen und sind uns alle einig, dass wir nie wieder in das Loch zurückkriechen, aus dem wir gekommen sind. (Mehr dazu in meinem Buch Hinter dem Blau.)
Nach fünf Tagen als Support in einem „Trauerhaus“ habe ich meine persönlichen Eindrücke zusammengestellt.
Was in den ersten Tagen hilft:
- Spülmaschine aus- und einräumen
- Einkaufen
- Müll entsorgen
- Trauerpost sortieren
- Kinder zum Spielplatz, Zoo, Eisessen o. Ä. mitnehmen
- Zeit für Ruhepausen schaffen
- Zum Bestatter begleiten, auch wenn man selbst Schiss hat
- Einladungsadressen für die Trauerfeier sammeln
- Trauerfeier organisieren (Rückmeldungen, Essen, Playlist, Fotoaufsteller etc.)
- Für alle kochen, Tisch decken, abräumen, sauber machen
- Snacks hinstellen
- abends unkompliziert Pizza oder asiatisches Essen bestellen
- Kaffee kochen
- an die frische Luft und spazieren gehen, nicht verstecken
- Zuhören, wenn das Gespräch gewünscht ist
- Als Nachbarn, Freunde oder Familie die Anteilnahme schriftlich ausdrücken, nicht dauernd anrufen oder spontan klingeln
- In den Arm nehmen, aber sich nicht weinend in den Arm der Hauptperson werfen. Die hat genug mit sich selbst zu tun und kann nicht die anderen trösten.
Vor allem der Umgang mit trauernden Kindern hat mir einiges abverlangt; ich war selbst als 5-Jährige in einer ähnlichen Situation und habe damals gar nichts verstanden, was ich erst rückblickend als Erwachsene aufarbeiten konnte. Das Bauchgefühl einer Mutter oder eines Vaters, was gut für die Kinder ist, würde ich immer vor dem Rat eines Psychologen oder den Großeltern gelten lassen. Vor allem die ältere Generation geht anders mit dem Tod um als jüngere Menschen heutzutage.
Der Tod bleibt ein Tabu, aber früher wurde auch zu Hause geboren und gestorben. Das mitzuerleben kann für eine Familie heilsam sein, um Abschied zu nehmen und den Lauf des Lebens zu begreifen. Trauer äußert sich bei kleinen Kindern unter anderem durch Stille, Klammern oder Wut. Meine Erfahrung und Appell als Tante und Mama: Wütende Kinder benötigen keine Schimpfe, sondern Verständnis, Nähe, Zuwendung und das Gefühl von Sicherheit. Sie stellen klare Fragen und wollen klare Antworten. Die Frage „Warum?“ habe ich immer wieder gehört und geduldig beantwortet. Aber nicht verschwurbelt von wegen „Die Willen des Herren…“ blah, sondern einfach gesagt, was Fakt ist. Es bleibt unbegreiflich und dennoch ist es das neue Normal, mit dem wir jetzt leben müssen.
Meine neuen Fotos sind von Alicia Minkwitz.