Pia Pritzel über ihre Patenschaft für eine syrische Familie

Pia Pritzel über ihre Patenschaft für eine syrische Familie

Ich würde gerne mehr tun. Zum Beispiel mit dafür kämpfen, dass Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe, Sexualität oder Geschlecht nicht mehr diskriminiert werden. Meinem Kind lebe ich eine weltoffene und tolerante Einstellung vor. Ich spende gerne an soziale Projekte oder in familiären Notfällen wie aktuell für Stefanie Ewald (*Link), aber es gibt bislang kein Projekt, das ich ständig verfolge. Anders als Pia Pritzel (*Link). Die Hamburger Fotografin und Fotoredakteurin des Spiegelmagazins hat nicht nur eine Patenschaft für eine syrische Familie, sondern engagiert sich auch aktiv für benachteiligte Kinder. Mehr über ihr Projekt „Herzpost“ (*Link) erzählt sie im Interview.

Hallo Pia, erzähl doch mal bitte kurz: Wer bist du und was machst du?

Moin, ich bin Pia aus Hamburg, 33 Jahre alt und setze mich für Geflüchtete, insbesondere Kinder und Jugendliche, ein. Über meinen Instagramkanal pias_kids mache ich soziales Engagement mit Humor und Menschlichkeit salonfähig. Der Inhalt des Kanals sind nicht nur meine eigenen Projekte und Einblick in meine Patenschaft für eine syrische Familie, sondern auch das Vorstellen von sozialen Organisationen und Projekten, die unterstützt in Form von Spenden oder Engagement werden können. Weitere Themen meines Kanals sind Feminismus, Rassismus und Nachhaltigkeit.

Wie wird man Patin einer syrischen Familie?

In vielen Städten und auch kleineren Orten gibt es Organisationen, die Patenschaften zu Geflüchteten vermitteln. Ganz schnell kann man über Suchmaschinen für soziales Engagement, zum Beispiel über Go Volunteer (*Link) herausfinden, welche Organisation vor Ort aktiv ist und weiterhelfen kann. Ich habe damals meinen Stadtteil und die Begriffe „Patenschaft“ und „Flüchtlinge“ gegoogelt.

Welche Aufgabe übernimmst du als Patin?

Je nach Patenschaft ist das ganz unterschiedlich. Viele Organisationen suchen nach Patinnen für spezielle Bereiche, zum Beispiel Hausaufgabenbetreuung, Job- oder Wohnungssuche. In meinem Fall ist es eine allgemeine Patenschaft, die sich nunmehr zu einer engen Freundschaft entwickelt hat.

Wir verbringen viel Freizeit miteinander, zum Beispiel esse ich regelmäßig mit der Familie zusammen (ich werde dabei so toll bekocht!), spiele und bastele mit den Kindern. Wir gehen ins Kino, zu Ausstellungen und vieles mehr. Während des Zusammenseins bekommt man dann wesentliche Themen mit: Wie läuft es in der Schule? Wie kommt der Vater bei der Jobsuche voran? Der älteste Sohn braucht Unterstützung bei der Berufsorientierung oder die Kinder benötigen einen Laptop, damit sie auch in Corona-Zeiten von zu Hause ihre Aufgaben erledigen können.

Alle Aufgaben, die ich mir selber zutraue, übernehme ich dann selber. Zum Beispiel habe ich einen Aufruf über Facebook gestartet und einen Rechner für die Kinder organisiert. Für die Unterstützung in der Schule habe ich Nachhilfe-Lehrerinnen organisiert und für den Sohn eine weitere Patenschaft für die Unterstützung bei der Berufsorientierung. Nun hat er eine Mentorin, die sich speziell um sein Anliegen kümmert. Alleine wäre ich der Aufgabe nicht gerecht geworden. Das ist aber auch ein wesentlicher Punkt: Man soll sich selbst auch nicht überfordern. Denn dann wird eine Patenschaft zur Belastung und das soll sie nicht sein.

Was bedeutet dein Engagement für dich persönlich?

Deutschland ist längst nicht mehr weiß-deutsch und Alltagsrassismus ist noch immer ein sehr großes Thema; die Haltung zu Flüchtlingen ist seit der Silvesternacht 2015 in Köln gekippt. Durch mein Engagement möchte ich darauf hinweisen, dass es nicht DIE und WIR sind. Sondern das ein allgemeines WIR wichtig ist. Wir sollten unsere Privilegen nutzen, um Solidarität zu zeigen und vorzuleben. Das „Andere“ und „Neue“ kann erstmal Angst einflößend sein, aber dass Engagement und Aktivismus muss nicht anstrengend oder belastend sein. Ganz im Gegenteil: Es ist sinnstiftend und lässt uns wachsen. Wir sehen DIE in einem anderen Licht. Wir können zu einem WIR wachsen. Zurück zur Willkommensgesellschaft. Herzpost bietet dafür einen leichten Einstieg und unterstützt allgemein benachteiligte Kinder und Jugendliche. Die Hemmschwelle einen Brief zu schreiben ist viel niedriger, als face to face eine Patenschaft einzugehen. Dennoch wird eine Bindung aufgebaut – und wer weiß!– möglicherweise wird das Interesse an einer Patenschaft oder einem anderen Ehrenamt geweckt.

Herzpost ist eine kreative Möglichkeit des sozialen Engagements anzubieten, mit der Motivation: Die privilegierte Seite zu sensibilisieren, dass hinter Kategorisierungen wie Flüchtlinge oder strukturell und sozial benachteiligte Kinder immer Individuen stehen und wie wichtig es ist, seine Privilegien sinnvoll zu nutzen und strukturell benachteiligte Menschen zu supporten.

Wie ist dein Projekt Herzpost überhaupt entstanden und was hat es damit auf sich?

Zur Zeit des Lockdowns konnte ich die Kinder von meiner Patenfamilie nicht sehen. Zwei der insgesamt vier Kinder gehören aufgrund einer Nierentransplantation zur Risikogruppe. Deswegen habe ich sie aufgefordert, mir Bilder zu malen und im Gegenzug haben wir ihnen Beschäftigungsmöglichkeiten wie Spiele und Malbücher vor die Tür gelegt, damit sie sich nicht zu sehr langweilen. Als das Projekt Hoffnungsbrief von der Hamburger Diakonie ins Leben gerufen wurde, haben mein Freund ich ganz fleißig Briefe an die Heimbewohner:innen geschickt. Danach dachte ich: Wieso sowas nicht auch für benachteiligte Kinder ins Leben rufen? Es gibt genügend Kinder und Jugendliche, die sich über Briefe mit Beschäftigungsvorschlägen freuen!

Für das Projekt Herzpost (#❤post) organisiere ich Brieffreundschaften zu Kindern und Jugendlichen, die sozial benachteiligt sind. Über Instagram habe ich Aufrufe gestartet und ganz wundervolle Post bekommen, die ich an Kinder und Jugendliche weiterleite. Hierfür habe ich mir ein Netzwerk zu sozialen Organisationen aufgebaut und mittlerweile ist die Nachfrage groß!

Wie kommt der Kontakt mit den Kindern und Jugendlichen zustande?

Ich baue das Netzwerk über Infomails und und Telefon auf. Die erhaltene Herzpost schicke ich sortiert an die Organisationen weiter. Wir telefonieren vorher und besprechen, welche Briefe für wen passen könnten. Unter anderem arbeite ich mit European Care dem Kinderschutzbund Hamburg und den Maltesern zusammen. Über jede weitere Organisation, die bei Herzpost mitmachen möchte, freue ich mich sehr!

Gibt es einen Moment, der dich bei deiner Arbeit besonders berührt hat?

Gerührt bin ich ständig. Eigentlich bei jedem Brief, den ich erhalte. Alle Herzpost-Schreiber:innen stecken so viel Liebe und tatsächlich Herz in ihre Post, da bekomme ich regelmäßig eine Gänsehaut und muss manchmal vor Rührung das eine oder andere Tränchen verdrücken.

Sehr berührt war ich auch, als das Projekt so richtig ins Laufen kam und ich viel Feedback von Organisationen bekommen habe, dass sich die Kinder und Jugendlichen sehr über die Post freuen und dass Herzpost sie motiviert. Denn anfänglich habe ich auch sehr viel Gegenwind bezüglich des Projekts erhalten und musste sehr ausdauernd und selbstbewusst sein, damit ich es durchziehe.

Da ich das Projekt komplett alleine neben meinem Job durchführe, habe ich persönlich keine zusätzliche Brieffreundschaft. Aber ich schreibe zusammen mit meiner jüngsten Patentochter Hevin an ihre Brieffreundin Ute. Hevin braucht viel Hilfe beim Schreiben und ich unterstütze sie dabei.

Wie kann man dich bei deinem Engagement am besten unterstützen?

Derzeit sammele ich Briefe für Kinder und Jugendliche mit Fluchterfahrung (10 bis 17 Jahre) die in Mecklenburg-Vorpommern in Erstunterkünften leben. Dafür arbeite ich mit den Maltesern zusammen. Die Herzpost soll den Kindern und Jugendlichen kreativ beim Schreiben und Lesen lernen behilflich sein. Wichtig ist, dass die Briefe ganz einfach formuliert und im besten Fall als Steckbrief gestaltet werden. Für diese Anfrage benötige ich noch ganz viele fleißige Herzpost-Schreiber:innen. Natürlich freue mich auch über jede weitere Organisation, die mit Kindern und Jugendliche arbeitet und bei Herzpost mitmachen möchte. Je mehr Freude wir mit Herzpost verschicken können, desto besser. Das Motto lautet: KEEP ON SENDING LOVE!

Danke für das schöne Interview, liebe Pia!

Fotos: Pia Pritzel, Herzpost

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