Kolumne: Über die Gleichzeitigkeit der Gefühle

Kolumne: Über die Gleichzeitigkeit der Gefühle

Trauer und Freude: Wie so oft wackeln sie vor meinen Augen nebeneinander die Straße runter. Während es in Köln ein kleines Weihnachtswunder gibt, sitzt meine Mutter in den USA fest und erlebt brutal schwere Stunden.

Natürlich macht das auch was mit mir. Ich kann nicht glücklich sein, wenn ich weiß, dass jemand aus meiner Familie todtraurig ist. Mein Magen dreht sich um und ich gehe kotzen, im nächsten Moment muss ich wieder für mein Kind oder die Arbeit funktionieren. Das geht nun schon eine Weile so und wir hangeln uns von Woche zu Woche, immer wieder mit einer neuen Hiobsbotschaft.

Und trotzdem geht unser Leben weiter. Wir arbeiten, die Kinder gehen in die Kita, ich mache Sport, putze das Klo, letztes Wochenende waren wir straff und bis 4 Uhr morgens auf einer Party. Alle freuen sich auf die freien Tage zwischen den Jahren, aber ich weiß, dass uns die Gleichzeitigkeit der Gefühle dieses Jahr an Heiligabend wieder weinen und lachen lässt. War es je anders bei uns?

Ich brauche frische Luft, der letzte Urlaub ist lange her. Für uns drei sind die Weihnachtsfeiertage neben den Sommerferien der zweite große Break im Jahr. Bis Mitte Januar sind wir unterwegs und mein Hummelhintern kann es kaum erwarten, bis wir wieder im Auto, Flugzeug oder auf der Fähre sitzen und ich Straßenschilder in einer anderen Sprache sehe.

Inzwischen habe ich beschlossen, dass ich diese Auszeit verlängern werde. Alle sieben Jahre, sagt man, ändert sich der menschliche Körper und damit das Leben. Auch wenn diese Siebenjahresperioden umstritten sind: Vor sieben Jahren war ich schwanger. Mit Paulis Eintritt in die Schule wird sich unser Leben wieder komplett verändern. Vor allem, wie und wann wir reisen. Deshalb will ich noch mal alles herausholen und für sie eine Erinnerung schaffen, die ihr Leben prägt. Und natürlich auch meins.

Viele meiner Freund*innen arbeiten im Januar und Februar remote in Mexiko-City, Tel Aviv, Lissabon oder Koh Phangan. Die Einschulung ist im August – bis dahin habe ich Zeit, es ihnen nachzumachen. So schön das Leben in Brandenburg ist – die Einsamkeit im Winter geht mir auf den Zeiger und ich vermisse meinen Tribe mehr denn je. Manchmal will ich raus aus allem, jung und ungebunden sein, reisen und nicht dauernd Pläne machen müssen. Sehnsucht und Fernweh, Dankbarkeit und Langeweile – auch das geht alles gleichzeitig.

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