Kolumne: Unser Leben ist eine Baustelle – 12

Kolumne: Unser Leben ist eine Baustelle – 12

Eigentlich hatten wir dieses Jahr beschlossen, dass coronabedingt keine Bauprojekte mehr stattfinden. Mein Mann hielt diese Abmachung genau zwei Wochen ein. Dann kam ein LKW und kippte 15 Tonnen Granitsteine auf die Auffahrt.

Eine riesige Staubwolke hüllte die Straße in einen grauen Schleier. Die Nachbarn lagen noch in ihren Betten und müssen geglaubt haben, dass es sich bei dem ohrenbetäubenden Knall um einen Meteoriteneinschlag gehandelt haben muss. So ähnlich sah unser Hof auch aus: Da, wo der in den letzten Wochen liebevoll bewässerter Rasen endlich grünte und Ziergräser friedlich im Wind wogen, türmte sich nun ein Berg aus Erde, Schutt und Steinen.

Was war geschehen? Mein Mann hatte es geschafft unseren Lieblingshandwerker zu Pflasterarbeiten zu überreden. Durch die Absage eines andere Bauprojekts hatte er kurzfristig zwei Wochen Leerlauf, was für einen Hausbesitzer so viel wert ist, wie ein Lottogewinn. Mein Mann pfiff auf unsere Abmachung, beendete den Corona-Baustopp und kaufte den besagten Steinhaufen.

Drei Wochen später waren die Handwerker immer noch da. Eine Hitzewelle hatte ihre Arbeit schwer als gedacht gemacht. Während ich mit meinem Laptop und einem Eiskaffee unter dem Sonnenschirm auf der Terrasse saß, schufteten vier gestandene Männer auf den Knien. Ich kam mir vor wie Kleopatra, die den Bau der Pyramiden im alten Ägypten beaufsichtigte. Ich konnte nicht länger untätig herumsitzen. Mein Projekt wurde die Beseitigung eines Wespennestes vor der Tür. Zwei Anrufe bei professionellen Schädlingsbekämpfern waren ohne Erfolg, denn nicht nur die Handwerker haben in Brandenburg gut zu tun, sondern auch die Kammerjäger.

Da Wespen unter Naturschutz stehen, ist das eigenmächtige Beseitigen ihrer Nester ohne guten Grund gesetzlich verboten. Da ausgerechnet nun aber unser Hauseingang immer stärker von den schwarz-gelben Insekten angeflogen wurde und ich um das gesundheitliche Wohl nicht nur von den Handwerkern, sondern auch der Postfrau fürchtete, bestellte ich selbst ein Mittel. Zwei Sprühdosen später war unsere Haustür von oben bis unten mit weißen Schaumresten verklebt. Die Wespen flogen von der Giftkeule gänzlich unbeeindruckt ein und aus. Meine weitere Recherche ergab, dass man ein Wespennest am besten so bekämpft: mit Geduld. Im Herbst verlassen die Tiere ihr Nest freiwillig und sterben.

Manche Probleme im Haus lösen sich also von selbst, was man von Pflasterarbeiten leider nicht behaupten kann. Nach der Hitzewelle kamen die Regengüsse, die unseren Steinbruch in eine Schlammgrube verwandelten. Unser Lieblingshandwerker war, man kann es nicht anders sagen, total angekotzt. Nach vier statt den geplanten zwei Wochen Bauzeit hatte ich ihm gegenüber ein so schlechtes Gewissen, dass ich ihnen jeden Tag ein Buffett aus Sandwiches, Kuchen und Kaffee aufbaute. Die Wespen nahmen natürlich auch daran teil.

Dieser Text ist in der Zeitschrift „Wohnen“ erschienen.

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