Kolumne: Unser Leben ist eine Baustelle – 10

Kolumne: Unser Leben ist eine Baustelle  – 10

Während ich diese Zeile schreibe, googelt mein Mann, wie viel eine Schafherde kostet. Laut Suchmaschine sind es 200 Euro für ein Mutterschaf und 300 Euro für einen Zuchtbock. „Augen auf beim Grundstückskauf“, rate ich daher jedem, der die Immobilienanzeigen studiert und mit einem parkähnlichen Anwesen liebäugelt. Was anfangs wie irre viel Privatsphäre wirkt, entpuppt sich spätestens im zweiten Jahr nach dem Einzug als unbezwingbares Dickicht, es sei denn man ist ein Naturtalent in Sachen Gartengestaltung und verfügt über Unmengen von Freizeit, die man unbedingt draußen verbringen möchte.

Da mein Mann und ich jedoch beide berufstätig sind, haben weder er, noch ich die Muse uns der regelmäßigen Pflege von Rasenflächen und Stauden-Beeten zu widmen – immerhin müssen wir ja auch noch unser Haus renovieren! Im Sommer spielen wir abends „Schnick, Schnack, Schnuck“ um auszulosen, wer den Rasen bewässert. Während der Verlierer eine Stunde mit dem Gartenschlauch in der Hand über das Grundstück schreitet und von Mücken zerstochen wird, ruht der andere auf der Terrasse und genießt mit einem Glas Weißburgunder in der Hand den Seeblick.

Was uns zu unserem Glück im Grünen fehlt, ist die Pedanterie. Die Gartenarbeit haben wir an den Punkt einfach eingestellt, an dem sich unsere Harken, Spaten und Rechen zu einem unlösbaren Geräte-Knäul im Schuppen verkeilt hatten. Um zur Seepromenade zu gelangen mussten wir durch eine hüfthohe Graslandschaften stapfen, während unsere Nachbarn auf ihrem bis auf den letzten Halm perfekt manikürten Rasen mit Murmeln spielen konnten.

In unserer Brandenburgischen Savanne ist letztes Jahr auch irgendwo der Mähroboter verschwunden. Wir sind ihm nicht böse, wahrscheinlich hat er, so wie wir, aus Verzweiflung den Dienst quittiert. Nun haben wir den Plan gefasst, entweder eine Schafherde auf unserem Grundstück weiden zu lassen oder aber die Wiese zum Wildblumengebiet zu erklären und damit einen Beitrag gegen das Bienensterben zu leisten. Um den Nachbarschaftsfrieden zu erhalten werden es wohl eher die Bienen als die Schafe, denn eine blökende Horde vor dem Schlafzimmerfenster ist nicht jedermanns Sache.

Dabei hat eine Schafherde nicht nur Kaukraft, sondern liefert nebenbei Fleisch, Milch und Käse auch Wolle. Die Felle könnte ich gut als Teppiche für das nach über zwölf Monaten Bauphase immer noch nicht fertiggestellte Badezimmer im ersten Stock gebrauchen. Ich war mal in einem zum Hotel umgebauten Landgut in den englischen Cotswolds zu Gast, in dem es genau so gemacht wurde: Damit der nackte Gast keine kalten Füße bekam, zierte jeder Schritt zur Dusche ein weißes, flauschiges Schaffell. Ich fand das irre luxuriös. Es erübrigt sich zu erwähnen, dass das Grundstück rund um das Hotel wie ein Meilenstein der Gartenkunst wirkte. „Breathtaking surroundings“ – atemberaubende Umgebung schreiben die Besitzer auf der Website über das Anwesen. Das können von unserem Garten nur Allergiker behaupten.

Dieser Text ist in der Zeitschrift „Wohnen“ erschienen. Unser Badezimmer ist inzwischen fertiggestellt.

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