Kolumne: Unser Leben ist eine Baustelle – 11

Kolumne: Unser Leben ist eine Baustelle – 11

Wir melden uns an dieser Stelle mit guten Nachrichten: In der Zwischenzeit konnten wir das Badezimmer im ersten Stock fertigstellen. Nach über 60 Wochen Bauzeit. Nein, das ist kein Tippfehler. Deshalb fiel die Einweihung für eine Nasszelle pompös aus: Nachdem die Bauarbeiter abgezogen waren, köpften mein Mann und ich in der Dusche eine Flasche Champagner und begossen unser gegenseitiges Durchhaltevermögen.

Dabei ist das Badezimmer weit davon entfernt perfekt zu sein. Die Metrofliesen beispielsweise wurden nicht, so wie es üblich ist, im chicen Viertelverband verlegt, sondern im Kreuzverband, also bündig in einer Reihe mit betongrauem Mörtel dazwischen. Weiß wäre viel eleganter gewesen, denn so erinnert die Atmosphäre in der von mir so sehr herbeigesehnten Walk-in-Shower eher an ein öffentliches Hallenbad, statt gediegenem Wellnesstempel.

Am nächsten Morgen wollten wir die Terrasse für den Besucheransturm unserer frischlufthungrigen Freunde bereitmachen, der aufgrund der Corona-Pandemie jedoch ausfiel. Trotzdem hat sich die Investition in ein Loungemöbelset gelohnt, jetzt da wir den Sommer zuhause verbringen. Als wir uns also allein auf den neuen Liegen fläzten fiel auf, dass unser auf Instagram viel besungene Seeblick (#dashausamsee) durch eine Stallmauer beeinträchtigt ist.

Zur Erinnerung: Die Villa Peng wurde 1910 erbaut. Damals kaufte man die Eier nicht im Supermarkt, sondern hielt eigene Hühner. Wegen dieser Anekdote war das kleine Nebengebäude bislang unantastbar, aber wenn’s um den Seeblick geht, kennt mein Mann nur eine Antwort: Hammerschläge. Binnen weniger Stunden verwandelte „Die Brandenburger Abrissbirne“, so sein Spitzname, die Mauer in einen staubigen Haufen Ziegelsteine. Dass bei der Aktion die frisch gepflanzte Weinrebe, die eigentlich die Mauer hübsch umranken sollte, ebenfalls zerstört wurde? Geschenkt. Wir sind uns einig, dass wir lieber weit gucken, statt unter der märkischen Sonne saure Trauben zu züchten.

Abends kehrte mein Mann auf seine Ausgangsposition auf der Liege zurück und sah auf sein Werk herab. Pünktlich zum Sonnenuntergang glitt ein Kranich über unsere Köpfe hinweg, dessen majestätischen Landeanflug wir bis zum Aufsetzen auf der Wasseroberfläche beobachten konnten. Lange währte diese Ruhe nicht. Denn durch einen spontanen Abriss, und das ist eine der wichtigsten Lehren bei der Renovierung alter Häuser, entsteht häufig ein neues Problem. So ging die Stallmauer in ein Klohäuschen über, dessen Wände ohne die Stütze plötzlich bedenklich wackelten.

Wir fanden das Stille Örtchen bis zu diesem Zeitpunkt eigentlich total charmant. Der alte Hausherr musste nachts mit der Kerze über den Hof huschen, um sich zu erleichtern, weil es im Haus keine Toilette gab. Mit dem Inhalt des Pumpsklos, so ist es uns von den Nachfahren überliefert, düngte er später die Gurken. Die Vorstellung, dass wir oder unsere Gäste, falls sie denn jemals eines Tages wieder zu uns kommen dürfen, beim Verrichten ihrer Notdurft von einem lockeren Ziegelstein k.o. geschlagen werden und kopfüber in ein Loch fallen, in die seit über 100 Jahren menschliche Exkremente plumpsen, fanden wir aber gruselig.

Wie schaffe ich jetzt die Kurve zu einem appetitlichen Ende? Die Gartengestaltung also lieber erst dann planen, wenn das ganze Haus fertig ist und vor dem Fliesenlegen unbedingt vorab nochmal die richtigen Verlegemuster anschauen, lautet daher mein Rat.

Dieser Text ist in der Zeitschrift „Wohnen“ (*Link) erschienen.

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